»… es geht mir um die Verletzbarkeit der Natur.«

Carl Aigner: Das fotografische Bild ist die Grundlage Ihres künstlerischen Arbeitens, quasi ihr bildnerisches Basis-Gen. Wie war Ihr Weg dahin? Marielis Seyler: Mit 9 Jahren habe ich zufällig ein Mädchenbuch in die Hand bekommen – Bettina knipst, und, kurz darauf, Bettina, die rasende Reporterin. Im ersten Buch ging es um einen Fotowettbewerb, den die Protagonistin mit einem Foto gewonnen hat, indem sie Grashalme in extremer Ansicht von unten aufgenommen hat …

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Carl Aigner Marielis Seyler Carl Aigner Marielis Seyler

Wahrnehmung und Empathie

Kein Zweifel: Die Virulenz des Themas »Natur« ist auch im aktuellen Kunstgeschehen und Kunstbetrieb bemerkenswert, ebenso die Polyvalenz ihrer Diskurse. Beispielhaft sei hier – aus naheliegenden Gründen – Wien genannt. Ob »Landschaft«, »Schöpfung« generell, die digitale Metaphorik der »Cloud«, »Naturmotivik« als konzeptuelle, intermediale Verfahrensweise und visuelle Rhetorik oder »Klima/Sintflut/Visionen« von Natur im Spannungsfeld von Naturwissenschaft und Kunst1, in aufschlussreicher Weise findet ein programmatischer Paradigmenwechsel statt, der sich durch die gegenwärtigen Erfahrungen mit Covid-19 noch intensivieren wird …

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Claudia Aigner Marielis Seyler Claudia Aigner Marielis Seyler

Der Mensch ist ein Trampeltier

Ein nackter Frauenkörper, notdürftig mit welkem Laub bedeckt – sicher ein Sexualverbrechen, oder? Nein, Kunst. Aber ebenfalls nicht harmlos. Und schon gar keine Kunst, die einfach brav an der Wand hängt. Das vermeintliche Tatortfoto, schockierend und faszinierend zugleich, das mich vor nicht allzu langer Zeit in einer Galerie unweigerlich in seinen Bann gezogen hat, ist ja selber eine Weile im Freien gelegen, war schutzlos dem Wetter ausgeliefert und der Natur, die wiederum Erde und weitere herbstliche Blätter drübergestreut und versucht hat, sich das Bild (aus der Serie der Open Air Bilder) einzuverleiben …

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Helmuth A. Niederle Marielis Seyler Helmuth A. Niederle Marielis Seyler

Memento mori

Üblicherweise bleibt der Tod in den alltäglichen Betrachtungen ausgeklammert und er findet auch in den üblichen Gesprächen nicht statt. Meist nur aus gegebenem Anlass, wenn ein Verwandter oder Bekannter – wie es fast der Regel zu nennende Fall ist – in einer sterilen Klinik einsam stirbt, wird über die letzte Reise gesprochen. Als Ursache dafür mag die Verdrängung des Todes angesehen werden, die ihre Wurzeln im Schwund des Religiösen, in der Lockerung der Familienbande, in der Auflösung gewachsener Lebenszusammenhänge, in der zur Anonymisierung führenden Verstädterung und im Rückzug auf das einzelne Individuum hat …

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Wolfgang Müller-Funk Marielis Seyler Wolfgang Müller-Funk Marielis Seyler

Natur als Philosophie

Die alten Diskurse kehren zurück, aber jede Wiederholung ist, wie uns die Philosophie von Jacques Derrida vorführt, zugleich eine Variante, wenn nicht gar eine Variation, die das Frühere, Wiederholte nicht einzuholen vermag. Die unzähligen Publikationen zum Thema Natur aus den 1970er- und 1980er-Jahren, die der umweltaktiven Jugend von heute gänzlich unbekannt sein dürften, rücken wieder in den Vordergrund; Bücher, die sich mit Philosophie, Gesellschaft, Ethik, Ästhetik und Kulturgeschichte im Umfeld der Fragen nach der Natur befassten und den gesellschaftlichen Diskurs dieser Zeit bestimmten, kehren zurück …

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Richard Milazzo Marielis Seyler Richard Milazzo Marielis Seyler

Stille und Transformation oder: Die alte Kunst der Empatheia

Fotografische Porträts, in denen ein welkes Kohlblatt offensichtlich ein Gesicht verdunkelt oder ein echtes (collagiertes), winziges Schneckenhaus einen Kopf abdeckt. Fotografien von verschiedenen toten Tieren - Vögeln, Fischen, Kaninchen (subtiler Hinweis auf Joseph Beuys Hasen) -, in die verschiedene Substanzen - Tee, Blut, Rost, Sägespäne, Erde, Kerzensud, Wachs und Kräuter - richtig in die Oberfläche eingearbeitet sind, fast wie ein Einreibemittel, um ihre Bewegungslosigkeit und Stille zu mildern …

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Maria Schindelegger Marielis Seyler Maria Schindelegger Marielis Seyler

Verletzungen

Beschäftigt man sich eingehender mit Marielis Seylers umfangreichen fotografischem Werk, kristallisiert sich ein künstlerischer Schwerpunkt heraus, der sich grundlegend mit dem weitgefassten Themenspektrum der Verletzung, des verletzt Werdens und des Verletzens befasst. Seit Anfang der Neunziger, nach der Wiederaufnahme ihrer fotokünstlerischen Tätigkeit, bestimmen die – zu einem gewissen Teil unbewusste – Auseinandersetzung und Sichtbarmachung unterschiedlichster Formen und Darstellungsmöglichkeiten von Verletzung ihre künstlerische Strategie, wobei der Spannung zwischen Natur und Kultur sowie dem Element des Zufalls eine nicht unwesentliche Rolle zukommen …

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Angelica Bäumer Marielis Seyler Angelica Bäumer Marielis Seyler

Von der Verletzlichkeit zwischen Mensch und Natur

Verhüllt, eingegraben, unter Folien und Blättern verborgen, bestreut mit Samen und Kräutern, verloren in der Unendlichkeit, so liegen und stehen sie da, die Figuren der Marielis Seyler. Allein und wie verloren inmitten einer übergroßen Natur, ihr aber gleichzeitig zugehörig, unlöslich verbunden als Teil von ihr. Wie große Vögel ziehen sie über die Felsen, strecken ihre Flügel aus oder hängen in den Ästen kahler Bäumer, hocken auf der Erde wie in Mutters Schoß. Wie klein, wie unendlich klein ist der Mensch in der Urgewalt der Natur …

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Günther Oberhollenzer Marielis Seyler Günther Oberhollenzer Marielis Seyler

Marielis Seyler. Vergangene und zeitgenössische Ikonen

Es ist mir eine große Freude, einige Worte über das so vielfältige fotografische Werk von Marielis Seyler sprechen zu dürfen. Seylers Werk ist mir schon seit längerer Zeit präsent, die Künstlerin habe ich aber persönlich erst vor etwas mehr als einem Jahr im Rahmen einer „Roten Wand“-Veranstaltung im Künstlerhaus kennengelernt. Dabei ist gleich ein inspirierender Dialog zwischen uns entstanden, und so hat mich Marielis eingeladen, heute über ihre wunderbaren Kunstwerke zu sprechen …

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Julian Schutting Marielis Seyler Julian Schutting Marielis Seyler

Zur Eröffnung in der Produzentengalerie am 1.Oktober 2019

Aufgrund meiner wenige Monate zurückliegenden Bekanntschaft mit einigen Arbeiten Marielis Seylers es mir erbeten, ihre Einzelausstellung in Wolf Werdigiers Produzentengalerie, das war vorgestern, im Herumgehen mit ihr zu eröffnen, in kleinen Dialogen. ihr Kälbchen, zu dem wir als erstes treten: von ihr hinter einem Bauernhaus verendet aufgefunden worden: totenblaß seine Wiedergabe, aber sie hat ihm mittels Doppelbelichtung einen Zwilling untergeschoben, etwas eingeschattet, als wär das sein schmaler Schatten – sei der doch als sein Seelenzwilling mit ihm entschlafen, lang vor der Auferstehung der unschuldigen Tierwelt, gehorsam ihren Instinkten …

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